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Wall-E statt Wally? Roboter in der Gastronomie (Kolume FN September 2023)

Kolumne "Das letzte Wort"
Arnd Rühlmann

Folgende Anekdote las ich kürzlich im FT:
In einer „fränkischen Traditionswirtschaft“ hatte man einen elektronischen Kellnerroboter mit dem originellen Namen „Robbi“ angeschafft, dessen KI von einem angemessenen Trinkgeld so verwirrt war (sic!), dass er gegen einen Tisch rumpelte und mehrere Gläser zu Bruch gingen. Mit der Pointe „Nix bassierd, die Seidla waren alle leer!“ endete die Überlieferung.

Tief verstört kam ich ins Grübeln. Sollte das tatsächlich die Zukunft des Gaststättengewerbes sein? Bedienungsmaschinen statt menschlicher Domestiken? In Franken? (Zugegeben, bei der Dechiffrierung der Grunzlaute, die eingeborene Gäste z.B. auf die Frage „Soll’s noch was sein?“ von sich geben, mag etwas künstliche Intelligenz schon helfen.)

Muss man bald damit rechnen, von strengen Servierdroiden einen Laserstrahl übergebrannt zu kriegen, wenn man im Schlenkerla einen Schnitt bestellt?
Der urige Bierkeller in der fränkischen Schweiz, den ich – ausschließlich zu Recherchezwecken – aufsuche, ist jedenfalls noch weit entfernt von seelenloser Apparategastronomie. Hier läuft alles nach althergebrachter Sitte: Ein bemüht freundlich wirkender junger Mann aus dem Kosovo versucht, als Einzelkämpfer auf der Schankfläche etwa 80 Kund:innen zu bedienen. Dabei vollführt er bemerkenswerte akrobatische Kunststückchen, wenn er an den Plätzen der Schafkppfspieler vorbeitänzeln muss, denn die haben traditionsgemäß Teller, Gläser, Speisekarten und Dekovasen auf dem Boden ringsumher verteilt, damit sie auf dem Tisch genug Platz für ihren Ramsch haben.
Gerade räumt er am Nebentisch bei einer 5köpfigen Familie die Reste des Gelages ab. Dabei bemüht er sich sehr, nicht die Ketchupkunstwerke zu verwischen, die die lieben Kleinen auf der Decke hinterlassen haben.

„Hat geschmeckt?“ fragt der Tellerjongleur unterwürfig und kassiert dafür vom Vatertier einen jovialen Prankenhieb auf die Schulter. „Zum Scheißen langt’s!“ bollert der satte Patriarch. „Geht alles zsamm!“ – „Macht 78,50.“ – „Ich wollt fei net den ganzn Lodn kaafm!“ gröhlt Papa und schiebt dem Schanksklaven einen Hunderter zu. „Da, mach 79!“

In einem anderen Winkel des Biergartens versucht gerade eine energische Mittvierzigerin mit asymmetrischer Frisur, an einen Tisch für 4 Personen 8 Stühle zu quetschen, die sie ohne zu fragen von den umliegenden Plätzen wegnimmt. „Verzeihung,“ kommt kleinlaut der Kellner dazu, „haben Sie reserviert?“ – „Des waaß ich doch net,“ quietscht die Dame entrüstet, „aber mir ham immer den Tisch da!“ – „Tut mir leid, ist nicht mehr frei …“ – „Is des vielleicht mei Problem?“

Sorgenvoll pule ich mit einem Zahnstocher die Reste eines Sellerieschnitzels aus meinen Zahnfleischtaschen und sinniere über den Personalmangel in der Gastronomie. Vielleicht haben wir tatsächlich nichts Besseres als Roboter verdient.

Arnd Rühlmann

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