Anzeige

Die 5-Prozent-Hürde: Ein kulturpolitisches Déjà-Vu (Kolumne FN November 2024)

Kolumne "Das letzte Wort"
Arnd Rühlmann

Kürzlich fragte mich ein Journalist, warum ich mich noch nicht zu den aktuellen Demos und Aktionen „5% für die freie Kultur“ geäußert habe. Tja, weil es wirklich ermüdend ist, wie Geschichte sich regelmäßig wiederholt.

Blicken wir zurück: Schon 2019 hatten sich mehr als 30 freie Theatergruppen und 20 Einzelkünstler zur „Interessengemeinschaft Freie Darstellende Künste“ zusammengeschlossen. Wir hatten nämlich mal ausgerechnet, dass wir pro Jahr über 120 000 Zuschauer;innen bespielen – im E.T.A.-Hoffmann-Theater waren es im Vergleichszeitraum ca. 50 000. Und deshalb wollten wir was von der Stadt: Räume z.B., zum Spielen, zum Proben, zum Arbeiten. Und Geld auch. Ein Anteil von 5% des Kulturetats sollte der freien Szene zur Verfügung stehen.

Weil die Kommunalwahlen bevorstanden, zeigten alle größeren Parteien noch größeres Verständnis für die Forderungen und sicherten uns zu, sich nach den Wahlen dafür einzusetzen. Wir waren alle sehr gespannt und fast schon ein bisschen zuversichtlich.
Dann kam Corona.

Zugegeben, niemand konnte diese Pandemie vorhersehen oder deren gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen abschätzen. Aber – und in dem Punkt bin ich nachtragend: Ich werde es dem Stadtrat niemals verzeihen, dass es ausgerechnet unsere Weltkulturerbestadt war, die daraufhin als erste Kommune in ganz Deutschland die Fördermittel für die freie Kultur eingestrichen hat.
Seither weiß man, welchen Stellenwert die freien Theater- und Kultureinrichtungen hier haben. (Unser werter Stadtkämmerer versuchte damals sogar, unter dem Vorwand von Einsparungen die 3 Stadtteilbibliotheken schließen zu lassen. Dass daraufhin nicht wenigstens versucht wurde, ihn geteert und gefedert aus der Stadt zu jagen, finde ich bis heute sehr enttäuschend.)

Kuriose Kabinettstückchen wie die spontane 30fache Mieterhöhung fürs Kontakt-Festival können da eigentlich niemanden mehr überraschen. Die Begeisterung für Bambergs große, aktive und vielfältige Kulturlandschaft ist parteiübergreifend. Die mangelnde Bereitschaft, irgendetwas dafür zu investieren allerdings auch. (Die Einzige, auf deren Meinung man sich verlassen kann, ist die Diktatorin von Gaustadt, Frau Reinfelder: Die hat nie verheimlicht, dass sie die freie Kultur für „Luxus“ hält, für den man kein Geld verschwenden sollte. Nur folgerichtig, dass sie diese ungustiiöse Liaison mit Gratisevent-Guru Stieringer eingegangen ist.)

Und deshalb werde ich mich an keinen runden Tisch mehr setzen, keine altbekannten Betroffenen-Befragungen mehr ausfüllen und die immer gleichen Fördermittel-Forderungen formulieren. Sollten die Kolleg:innen jetzt tatsächlich da Erfolg haben, wo wir in der Vergangenheit gescheitert sind, würde es mich ja sehr freuen. Doch nach über 20 Jahren als Bühnenschaffender und Veranstalter kenne ich die Inhaltslosigkeit von Wahlversprechen mittlerweile zu gut.

Arnd Rühlmann

Zurück zum Seitenanfang