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Aus Strullendorf in die Wälder Europas: Trendbehausung Wohnmobil (Kolumne FN Januar 2023)

Kolumne "Das letzte Wort"
Arnd Rühlmann

Ich habe in den vergangenen Monaten ein seltsames Phänomen in meinem Bekanntenkreis beobachtet: So erzählten mir schon vier meiner Freund:innen, sie hätten geplant, sich für das kommende Jahr ein Wohnmobil oder ein ähnliches motorisiertes Domizil anzuschaffen.
Zufall? Oder bahnt sich hier ein neuer Trend an. Wenn ja – warum? Wo es doch bei uns so schön ist.
Für Norddeutsche und speziell Menschen, die in Küstenregionen wohnen, ja da ist die Anschaffung so einer fahrbaren kleinen Gefängniszelle natürlich eine clevere Investition in die klimakatastrophale Zukunft.

Die Niederländer, die uns ja in so manchem Belang schon immer mehr als eine Nasenlänge voraus waren, haben es in der Vergangenheit vorgemacht: Der holländische Wohnwagen ist für uns alle seit Jahrzehnten ein fester Begriff und bildete im vergangenen Jahrtausend für sogenannte Comedy-Urgesteine wie Mike Krüger und Rudi Carrell einen der wichtigsten Grundpfeiler ihres humoristischen Repertoires.

Doch hatte eben keiner der Possenreisser die Weitsicht dieses pfiffigen Volkes erkannt. Denn die sind nun für den Ernstfall bestens gerüstet, und wenn spätestens im Jahr 2050 die Dämme brechen und das Niederländische Königreich der Niederländischen Seenplatte weichen muss, startet dort die General-Wohnmobilmachung und die vertriebenen Einwohner:innen können sich auf den Campingplätzen Europas ansiedeln und dort hübsche oranje Enklaven bilden.

Für uns in Franken sind solche Sintflut-Szenarien aber viel zu weit weg, um die heimische Immobilie aufzugeben. Vielleicht sind es ja die horrenden Mietpreise oder die empörend  erhöhten Nebenkosten durch die schamlos kriegsgewinnlernden Energieversorger, die auch hierzulande die Menschen dazu bringen die Heimat in Caravanen verlassen zu wollen. Oder ist in der langen Zeit der Lockdowns und Reisebeschränkungen vielleicht selbst in den hiesigen Eingeborenen, die ja gerne mal Sätze von sich geben wie „Ich bin in Strullendorf geboren und aufgwachsen und nie von da fortganga!“ als wäre das etwas Gutes, so etwas wie ein Fernweh erwacht?

An sich ist es ja eine lobenswerte Idee, sich noch ein paar Ecken von der Welt anzugucken, solange sie noch nicht überflutet, verwüstet, ausgerottet oder kaputtgefrackt sind.
Einfach mal mit dem mobilen Plastikhausstand in den Wald fahren, eine Dose Ravioli auf den Gaskocher stellen und gemütlich zum Zirpen der Grillen ins Gebüsch kacken, da kann man sich so richtig eins mit der Natur fühlen.

Aber dennoch wird man den leisen Verdacht nicht los, dass diesem Planeten, den Pflanzen, Menschen und Tieren viel Elend und Schmerz erspart geblieben wäre, wenn die Gattung namens Homo sapiens einfach prinzipiell zuhause geblieben wäre…

Kolumne von Arnd Rühlmann

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