Anzeige

Netflix: Und der Ekel-Oskar geht an… „Der Goldene Handschuh“

Kino und Film

Und der Ekel-Oscar geht an… „Der Goldene Handschuh“ von Fatih Akin. Netflix hat das Ungeheuerliche gewagt und zeigt einen der abstoßendsten, widerlichsten und fassungslos machenden Filme der vergangenen Jahre. Ein Film über den Serienmörder Fritz Honka zu Beginn der Siebziger Jahre auf St. Pauli. Dieses entstellte und dem Alkohol verfallene Wrack ködert in der Szenekneipe „Goldene Handschuh“ abgetakelte Prostituierte und ältere Frauen mit Gratisschnaps und lockt sie mit dem Versprechen auf weiteren Fusel in seine mit Pornobildern dekorierten Wohnung. Dort vergeht er sich an ihnen, tötet und zerstückelt sie.

Eine nicht aufhören wollende Orgie von Vergewaltigungen, Saufexzessen, Demütigungen, Hoffnungslosigkeit, Mord. Das Drama erlaubt nicht, den Menschen hinter den Gestalten zu sehen. Der Regisseur bietet keine Tiefe an, er lässt keinen Blick in die Psyche zu. Er setzt nicht Verstehen. Er wertet nicht. Seine Gestalten sind so, wie sie sind.

Der SS-Mann mit der Augenklappe uriniert auf den Schüler, Stammgäste ertränken ihre Restwürde in Fanta-Korn, eine Frauenrunde lutscht, dem Koma nahe, aneinander vorbeilallend an ihren Bierpullen. Zwei Säuferinnen umklammern sich verzweifelt beim Tanz. Ahnen sie, dass dieser vielleicht ihr letzter in ihrem versoffenen Leben sein könnte? Aus der Jukebox erklingen schwülstige Heile-Welt-Schlager, die im krassen Gegensatz zur ihrer trostlosen Wirklichkeit stehen. Und mittendrin Honka, einer von ihnen. Ein Looser. Ein Monster. Ein Ausgestoßener wie sie. Ein Spießer, der den fürchterlichen Gestank der in seiner Wohnung versteckten Leichenteile mit Dutzenden „Wunderbäumen“ zu verdecken sucht.

Die schonungslose Oberflächigkeit der Figuren und ihr fast emphatieloses Miteinander machen diesen Film so sehenswert. Akin zwingt den Zuschauer zum Voyeur zu werden. So blickt er voller Ekel und dennoch mit einer gewissen Faszination auf das unterste Milieu der Nachkriegszeit. Ein meisterhaft, detailgetreues inszeniertes Stück Zeitgeschichte, abseits der Wohlstandsgesellschaft mit starker D-Mark, eigenem Auto, Eigenheim und Urlaub in Italien.

Thomas Pregl

Zurück zum Seitenanfang