Mit dem Fahrrad und seiner Familie die gesamte Fahrbahnbreite nutzen und das ganz ohne motorisierten Verkehr? Was zwar wünschenswert, jedoch eher nach Utopie klingt, ermöglichte die Initiative Radentscheid Bamberg mit einer angemeldeten Fahrraddemo speziell für Kinder und deren Familien. Die sogenannte „Kidical Mass“ – abgeleitet vom Phänomen der Critical Mass – fand bereits in vielen Städten weltweit und auch in Deutschland statt, nun auch das erste Mal in Bamberg. Und das Format kam an: Ungefähr 80 bis 90 Personen, darunter ungefähr die Hälfte Kinder, folgten dem Aufruf der Initiatoren Christian Hader und Jonas Glüsenkamp. Nach einer Kundgebung am Spielplatz im Harmoniegarten bewegte sich die radelnde und klingelnde Menge in Richtung Lange Straße, um dann zwei Runden auf dem Innenstadtring über Königstraße und Luitpold-/ Willy-Lessing-Straße zu drehen. Die meisten Kinder fuhren mit ihren Lauf- und Fahrrädern direkt hinter der polizeilichen Begleitung ganz vorne und bestimmten so das Tempo.
Andreas Uhsemann, der selbst mit dem Lastenrad unterwegs war, während seine beiden Töchter mit fünf und drei Jahren mit eigenem Fahrrad bzw. Laufrad mitfuhren, meinte: „Uns hat bei diesem tollen Wetter vor allem Spaß gemacht, dass wir einmal die gesamte Fahrbahn nutzen konnten, während man sich sonst als Radfahrender eher an den Rand gedrängt fühlt. Meine Familie und ich freuen uns auf das nächste Mal.“
Dass die Raddemo von aus Lautsprechern tönenden Kinderliedern und Seifenblasen aus einer auf einem weiteren Lastenrad befindlichen Maschine umrahmt wurde, kam ebenfalls gut an: „Es war eine tolle Aktion, die den teilnehmenden Kindern wie Eltern, aber auch den Passanten am Straßenrand sichtbar viel Spaß gemacht hat. Darüber hinaus war es ein wichtiges politisches Signal“, sagte Jana Costa, die mit ihrer drei Monate alten Tochter im Kinderanhänger mitfuhr.
Der Hintergrund der Veranstaltung ist dabei durchaus ein ernster: „Im Mai 2018 kam es in München und Köln innerhalb kürzester Zeit zu zwei tödlichen Unfällen zwischen abbiegenden LKWs und je sieben- und neunjährigen Kindern. Diese aber auch viele weitere schreckliche Geschehnisse mahnen zu mehr Einsatz
für die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr. Dabei darf die Verantwortung nicht nur in der Verkehrserziehung gesucht werden, vielmehr muss die Infrastruktur so gestaltet sein, dass die „Vision Zero“, also keine Verkehrstoten und Schwerverletzten, kleine bloße Vision bleibt“, so Initiator Christian Hader.
Während die Kinder und Eltern mit ihren Rädern, Laufrädern, Seifenblasen, Musik, etc. Spaß hatten und die freien Straßen genießen durften, soll das Format also zu mehr politischem Einsatz für bessere Radverkehrsbedingungen aufrufen, wie auch Co-Initiator Jonas Glüsenkamp betont: „Wenn man sich vor Augen führt, dass in Deutschland im Jahr 2017 trotz sinkender Unfallzahlen insgesamt über 3.000
Menschen im Straßenverkehr ihr Leben lassen mussten, die meisten Radfahrenden im innerstädtischen Verkehr starben oder schwer verletzt wurden und in Bamberg speziell die Radunfallzahlen in den letzten Jahren auf ein hohes Niveau gestiegen sind, dann ist es erschreckend, wie wenig die Politik auf diese Entwicklung reagiert.“ Beide Initiatoren sind sich darin einig, dass eine Reduktion von Fahrradunfällen im innerstädtischen Verkehr nur dann nachhaltig möglich ist, wenn dem Rad- und auch Fußverkehr mehr Flächen zugesprochen werden und der motorisierte Verkehr auf ein notwendiges Maß beschränkt wird.
Nach Auskunft von Hader und Glüsenkamp werden jene Forderungen wohl noch öfter durch eine Kidical Mass untermauert werden: „Wenn die Politik weiterhin so zaghaft agiert, die entsprechenden Flächen für den Radverkehr zur Verfügung zu stellen, dann werden wir dem Wunsch vieler heute Teilnehmenden nachkommen und uns jene Flächen eben nehmen – zumindest temporär“, so die beiden zufriedenen Veranstalter abschließend. (PM)