Nevfel Cumart, einer der besten deutschen Lyriker, ist nicht nur ein nimmermüder Brückenbauer zwischen den Religionen und Welten, sondern auch auch ein begnadeter Entertainer bei jedem noch so nasskalten Tag. Das bewies er einmal mehr bei seiner Lesung am 16. April in der Bamberger Buchhandlung Collibri.
Vom ersten bis zum letzten Wort verzauberte er sein Auditorium. Witzig, charmant, hintergründig, besinnlich und gelegentlich traurig führte er mit Gedichten aus seinem Jubiläumsband „Im Hinterland des Halbmondes“, ergänzt mit vielen Anekdoten, durch die stürmischen, privaten und manchmal wunderlichen Jahrzehnte seines kreativen Tuns.
Collibri-Chef Thomas Zölch-Buba kam angesichts des Andrangs gar nicht mehr aus dem Staunen heraus – dementsprechend freute er sich über die „volle Hütte“. Und die wusste Cumart, Bambergs literarisches Aushängeschild, ordentlich zu befeuern. Nicht mit dröhnenden Tönen, sondern eher leise, akzentuiert, mit passender Mimik und Gestik. Und mit leuchtenden Augen, die seine Liebe zur Dichterkunst immer wieder verrieten. „Ich weiß nie, was ich lesen werde“, verriet der „Zweiheimische“ mit arabisch-türkischen Wurzeln, der als Student 1986 von Stade nach Bamberg kam. „Darum werde ich mich treiben lassen!“
Und so kam er wohl auch zur Lesung, in der anfangs Seitenzahl-Zurufe aus dem Publikum die Auswahl der Gedichte bestimmten. Krasse Gegensätze entstanden so – und machten den Leseabend zu einem unvergesslichen Ereignis. Cumart erzählte von Umarmungen, Papierpreisen, Krieg, Tod, Umweltverschmutzung, erster Liebe, Ablehnung, Migration, Stammtischen, Erdbeben und Weihnachten in Indien mit seiner Tochter Amelia. „Mein neuer Band ist bewusst kein Best of, sondern ein Querschnitt aus den letzten 40 Jahren“, erläuterte der vielfache Preisträger.
Auch seine Anekdoten und Erinnerungen hatten es in sich. Deutsche Väter lehnten ihn ab oder schwiegen wegen seiner Liebe zu ihren Töchtern, durch die Metamorphose seines Namens sei er „die ersten 15 Jahre als Mädchen durch die Welt gegangen“. Sein wahres Geburtsdatum wurde verschusselt, seine Rektorin hatte ein gutes Herz, „aber ich wusste nicht wo“. Eine Bamberger Islamwissenschaftlerin hielt ihn sich als einzigen Studenten und vergaß zweimal Prüfungstermine. Ein paar Gedichte schafften es in katholische Religionsbücher – als Entgelt gab es nur ein paar Euro.
Einige Lesungen musste er wegen Islamhassern unter Polizeischutz machen. Nazis versuchten ihn mit Parolen auf ihren T-Shirts zu provozieren. Seine Erkenntnis: „Es gibt so viele Menschen, die haben eine Meinung, aber leider keine Ahnung!“
Thomas Pregl