Drei Jahre lang sind die Mächtigen der Stadt ohne biblische Bestrafung davongekommen. Corona sei Dank, werden sie in ihren stillen Kämmerchen und im weltbesten Rhetorik-Institut auf der Oberen Königstraße oder beim konspirativen Kaffee im Rondo gejauchzt haben. Doch dann kam er – die fleischgewordene Geißel Gottes, das Grauen in der Mönchskutte, die Bazooka mit dem kabarettistischen Mehrfach-Wumms – Bruder Udalrich, schlicht auch als Florian Herrnleben bekannt. Bei der 8. Bamberger Fastenpredigt klärte der Oswald Kolle von Bamberg die begeisterten Sünderlein im proppevollen Ziegelbau über das bekannte und unbekannte Unwesen der Stadtoberen auf. Standing Ovations waren der Lohn für eine Philippika mit viel Hintergrundwissen und spitzer Zunge.
Was an diesem Abend passieren wird, wurde schon durch das Introvideo des langhaarigen Kuttenträgers deutlich. Zur AC/DC-Fanfare „Hells Bells“ schlich und trank sich Bruder Udalrich durch die Hotspots der kommunalpolitischen Niederungen. Nicht überall war er gerne gesehen. Bei der „WG Sandmann“ drückte er sogar vergebens auf den Klingelknopf.
Die Kontrolle über sein Leben zu behalten, fällt dem wortgewandten Mönch, aber auch seinem Dauerkontrahenten, nicht immer leicht. Da gibt es durchaus verbindende Gemeinsamkeiten: „Der OB ist ein bisschen wie meine Lieblingsjogginghose. Ganz bequem, aber manchmal etwas peinlich in der Öffentlichkeit!“ Dieser habe sich entschuldigen lassen, bedauert Bruder Udalrich mit einem tiefen Schluck aus seinem Seidla – der Rathauschef sei mit den Symphonikern in Wien. Dort verortet er auch den ebenfalls fehlenden Stadtmarketingchef Klaus Stieringer und BuB-Politikerin Daniela Reinfelder, die „Jeanne d´Arc von Gaustadt“.
Den Spagat – einerseits als kommunalpolitische Aufklärungsdrohne unterwegs gewesen zu sein, anderseits nun den Ertappten als Bruder Udalrich die Leviten zu lesen, vollzieht der Fastenprediger souverän mit einem persönlichen Bekenntnis zur Neutralität: „Ich hätte jeden gewählt, der mir die Verfügbarkeit von gelben Säcken verspricht!“ Und so teilt er in alle Richtungen aus. „Strafbefehle für den OB kommen regelmäßiger als die Sandkerwa“, hat er erkannt. „Klausi“, dessen Konterfei er fast wie ein Marienbildchen andächtig auf seiner Kanzel betrachtet, sah er vor den Account-Fakes auf dem Weg, die Obere Königstraße in „Sonnenkönigstraße“ umwidmen zu lassen. „Es kann nicht sein, dass ´Stieringer`und ´Schönheit` gleich viele Buchstaben haben“, wundert er sich. Seine größte Angst, bekennt Bruder Udalrich, sei es, überfallen und mit Sack über dem Kopf in Obere Königstraße entführt zu werden , um dort „die Plörre aus Nürnberg saufen zu müssen“.
Dass der Nazimaler Bayerlein aus dem Rathaus endlich entfernt wurde, stimmt den Fastenprediger fast ein wenig gnädig. Auch wenn er sich gewünscht hätte, dass der Stellvertreter des Hausmeisters die Werke einfach mal hätte abnehmen sollen – „keiner hätte es gemerkt“. Denn Bayerlein hatte nicht mal einen Wikipedia-Eintrag. „Selbst der Stieringer hat einen Wikipedia-Eintrag!“
Allerlei neue Gestalten und Parteien hat er nach der Wahl im Stadtrat gesichtet. Genüsslich zieht er über die Kaffeefahrt von „Bamberg Mitte“ auf Einladung der AfD nach München her. Dabei seien doch Fahrgemeinschaften in diesen Zeiten wichtig. Aber eben nicht solche. Volt-Stadtrat Hans-Günther Brüncker sei so „nervig wie eine Taube auf Redbull“. Und bei der CSU habe er eine Halbierung der Ratsmitglieder festgestellt. „Aber die verschiedenen Meinungen haben sich verdoppelt.“ Für die Entrüstung der Schwarzen über ein queeres Playboy-Cover hat der gar nicht so wortenthaltsame Gottesmann nur Häme übrig: „Ihr müsst euch den Playboy nicht kaufen, ihr könnt ihn sogar kündigen!
Nach einem langen Lachsalven-Marathon durfte Bruder Udalrich unter dem Jubel der Bockbiergläubigen von seiner Kanzel klettern. Jesus hat Wasser in Wein gewandelt – er die größten Skandale der Stadt zu bester kabarettistischer Unterhaltung. Das schreit nach einem weiteren Wunder von ihm – bei der dann 9. Bamberger Fastenpredigt.
Thomas Pregl