Mit ihren Beiträgen im Nachrichtenstil hat die preisgekrönte Satire-Website „Der Postillon“ seit 2008 vor allem in sozialen Medien immer wieder für Verwirrung und Aufregung gesorgt. Ob es die Einführung einer europäischen Fußball-Nationalmannschaft war oder die Meldung, dass Angela Merkel die AfD gegründet habe – auf die Satire-Botschaften fielen selbst Politiker, Medien und Leser herein. Seit 2014 werden die Postillon-Nachrichten vom Moderatoren-Duo Thieß Neubert und Anne Rothäuser in einer eigenen Fernsehsendung präsentiert, zudem gibt es eine Radio-Show. Seit Ende vergangenen Jahres sind die beiden Moderatoren nun mit der „Der Postillon – Live Deutschlandtour“ in Deutschland unterwegs. Mitte September kommen sie nach Bayreuth, Bamberg und Würzburg. Im Interview verraten die beiden, warum Satire zur Allgemeinbildung beiträgt, sich Anne Rothäuser ab und zu Thieß Neubert nackig vorstellt und es mitunter frustrierend sein kann, wenn Nachrichtenbeiträge nicht ernst genommen werden.
Sie kommen mit der „Der Postillon – Live Deutschlandtour“ nun erstmals im September nach Bayreuth, Bamberg und Würzburg. Was ist das Erfolgsgeheimnis des Postillons?
Thieß Neubert: Das ist ein Geheimnis!
Anne Rothäuser: Das verraten wir in unserer Live-Show! Nein, ernsthaft: wir sind einfach verdammt gut.
Was ist das Besondere an der Tour? Wo liegt der Unterschied zwischen Live-Unterhaltung und dem Dreh vor einer Kamera?
Anne Rothäuser: Das eine ist gemeinhin eine Live-Unterhaltung. Das andere ein Dreh vor einer Kamera.
Thieß Neubert: Na, die Reaktion des Publikums. Beim Dreh vor der Kamera lacht höchstens der Regisseur, weil man mal wieder seinen Text vergessen hat. Vor Publikum ist das dann schon alles eine Spur unangenehmer.
Tragen Satire-Nachrichten zur Allgemeinbildung bei? Oder beschleunigen Sie die Verblödung der Massen, die anscheinend weitgehend diskursfrei in Blasen unterwegs sind? Und: Was kann Satire im Idealfall für Politische, gesellschaftliche, kulturelle Diskussionen leisten?
Anne Rothäuser: Sie trägt auf alle Fälle zur Allgemeinbildung bei, denn sie bringt tagesaktuelle Themen unter die Leute, die unter Umständen erst durch uns davon erfahren. Satire bremst also die von Ihnen beklagte Verblödung der Massen.
Thieß Neubert: Satire kann im besten Falle auf Missstände hinweisen, manchmal aber darf sie auch einfach nur schlicht die Menschen unterhalten.
Der Postillon scherzte zuletzt darüber, kläglich gescheitert zu sein, eine Nummer über die Berufung eines Investmentbankers von Goldman Sachs als Staatssekretär ins Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz zu machen. Kann Satire gar nicht alles?
Thieß Neubert: Manchmal – ich gebe zu, in letzter Zeit immer häufiger – ist die Realität einfach satirischer als die Satire. Das müssen wir neidlos anerkennen. So gesehen, um auf das Thema Konkurrenz zurückzukommen, ist die größte Konkurrenz des Postillon die Realität.
Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten, ein Diktator Kim Jong-un, der zum „Friedens-Aktivisten“ mutiert und die Fußball-WM in Russland … derzeit herrschen für Kabarettisten und Satiriker geradezu paradiesische Zustände, oder?
Thieß Neubert: Ach, das täuscht. So außergewöhnlich ist die Lage gar nicht. Früher gab es ja auch schon so viel, was man sich nicht ausdenken konnte: Berlusconi zum Beispiel, oder Gaddafi und Schröder.
Anne Rothäuser: Trotzdem, da muss man aufpassen. Es nimmt überhand. Wenn das so weiter geht, haben wir bald keinen Job mehr und die Leute lachen nur über das, was sie täglich in den Nachrichten sehen.
Macht Ihnen die derzeitige Entwicklung der Weltlage privat manchmal Angst und ist Satire ein gutes Mittel, um damit umzugehen?
Thieß Neubert: Ja und ja.
Anne Rothäuser: Verglichen mit den 70ern finde ich die Weltlage heute eigentlich ganz dufte.
Außerdem: Humor hilft immer. Gerade in schwierigen Zeiten.
Gibt es eine Grenze für Satire, und wenn ja, wo wird diese beim ‚Postillon‘ gezogen?
Thieß Neubert: Witze über Chuck Norris sind bei uns tabu. So etwas macht man einfach nicht!
Anne Rothäuser: Ansonsten ziehen wir die Grenze bei exakt 4,23 Metern. Alles darüber geht einfach nicht.
Fällt es Ihnen nicht schwer, ernst zu bleiben, wenn Sie Ihre ‚Nachrichten‘ vorlesen? Und was machen Sie, wenn Sie das Gefühl haben, jetzt selbst lachen zu müssen?
Thieß Neubert: Nein, wir sind mittlerweile professionell genug, bei den Nachrichten ernst zu bleiben. Die Striemen und Narben auf unserem Rücken sind uns eine Lehre.
Anne Rothäuser: Ich stelle mir in solchen Fällen Thieß einfach nackig vor. Spätestens dann vergeht mir das Gefühl, jetzt lachen zu müssen.
Wie geht man beim Postillon damit um, wenn der ein oder andere Beitrag etwas zu ernst genommen wurde?
Thieß Neubert: Die Frage muss eher lauten: Wie gehen wir damit um, wenn ein Beitrag mal NICHT ernst genommen wird? Das sind die wahren Ärgernisse!
Anne Rothäuser: Das stimmt. Wir präsentieren ehrliche Nachrichten seit 1845. Können Sie sich vorstellen, wie frustrierend es ist, wenn dann plötzlich unter einem Artikel zahlreiche Kommentare auftauchen mit lachenden Smileys und Sätzen wie „HAHAHA, ich lach mich tot!“ ?
Was ist sonst noch geplant?
Thieß Neubert: Langfristig planen wir, die Weltherrschaft zu übernehmen. Das große Ziel des Chefredakteurs. Er ist wirklich verrückt, müssen Sie wissen. (PM)
Weitere Infos zur Live-Tour mit Auftritten in Bayreuth (13.9), Bamberg (14.9), Würzburg (16.9), Hof (11.10) … sowie Tickets gibt es unter www.der-postillon-live.com