Wenn der Jäger in der Fränkischen Jura seine Büchse auf das Wild anlegt, so bekommt er nicht nur Wildschwein oder Reh vors Korn, sondern zuweilen eine Spezies, die ursprünglich aus Sardinien und Korsika stammt – Mufflons. Vor fast 70 Jahren wurden sie von einem Scheßlitzer Förster ausgewildert – und landen als dampfende Delikatesse mit Soß, Kloß und Blaukraut auf den Tellern einiger Gastwirtschaften, deren Namen so geheim gehandelt werden wie die KGB-Personallisten im Kalten Krieg.
Wenn es ums Essen geht, ist der Franke ein Genussmensch durch und durch. Zwar lassen die Namen der Gerichte – Blaue Zipfel, Presssack, Gerufter oder Entenjung – nicht immer die lukullische Qualität auf den ersten Biss erkennen, aber die vollen Wirtshäuser gerade im Bamberger Umland zeigen, dass handwerkliche Kochkunst durchaus honoriert wird. Das gilt auch für die Zubereitung der Mufflons, Wildschafe aus dem Mittelmeerraum, deren Hörner so imposant geschwungen sind wie der türkische Halbmond.
Seit den 50iger Jahren durchstreifen rund 200 der genügsamen Tiere die heimischen Wälder rund um den Geisberg. Rund 20 Stück werden jedes Jahr erlegt – und bereichern so das heimische Wildangebot. Mufflons wiegen zwischen 35 und 50 Kilo, für einen dieser fast geheimen und legendären Sonntagsbräten in der heimischen Gastwirtschaft braucht der Koch meist zwei Stück.
„Bitte nennen Sie keinen Namen“, fleht der Wirt den hungrigen SUV-Fahrer an, der sich voller Vorfreude auf den kommenden Gaumengenuss den Ellerer Berg hinauf gequält hat. „Wenn es Mufflon-Braten gibt, platzt unsere Gaststube aus allen Nähten. Viele Gäste müssen wir leider enttäuschen, wir haben keinen Platz mehr frei.“
Ein Blick durch die gemütliche Gaststube mit der braunen Holzdecke bestätigt die Worte des Gastronomen. Es herrscht ein gemütliches, erwartungsvolles Gedränge. Jeder freie Platz wird sofort besetzt. Über der kleinen Theke prangen Mufflon-Hörner, daneben über der Schöller-Eisreklame – mit „Kaktus“ und „Nucki Nuss“ im Angebot – ist das schwarzbraune Fell des Wildschafes zu bewundern. Auf der Schiefertafel neben der Küchendurchreiche wird neben Mufflonbraten für Schwarzwälder Kirsch und Faschingskrapfen geworben.
„Wir machen noch alles selbst“, verrät Josef (83), der Seniorchef. „Mufflonbraten gibt es bei uns nur drei- bis viermal im Jahr.“ Die Gäste hängen an den Lippen des rüstigen Mannes mit dem freundlichen Gesicht und den noch vollen, grauen Haaren. „Der Förster, der die Mufflons ausgewildert hast, hieß, glaube ich, Keilholz. Den Vornamen habe ich vergessen.“ Und dann kommt das „Ovis Gmelini“, wie das europäische Wildschaf auf Lateinisch genannt wird. Selbst zwei Schülern, eher der McDonalds-Generation zuzurechnen, entfährt nach den ersten Bissen ein lautes „Mmmh!“
Wirt Josef legt Anni, 88 Jahre jung, kurz den rechten Arm auf die Schulter. „Hat es geschmeckt?“, fragt er. Die Frage ist eigentlich überflüssig. Der Teller der Rentnerin ist so blitzbank leergegessen, als käme er aus der Spülmaschine. „Für so ein gutes Essen muss ich meinem Herrgott danken“, sagt Anni. Sie nippt an einem Glas Rotwein und strahlt.
Thomas Pregl