Die Frage blieb unbeantwortet: Hat Trettmann, jahrelang einer der gefragtesten Künstler der Szene („DIY“), den Zenit in der Gunst des Publikums überschritten? Gerade mal so um 2000 Fans kamen zu seinem Konzert am 22. August auf dem Schlossplatz in Coburg. Als „Opener“ des perfekt organisierten Huk-Coburg-Sommer-Open-Air nicht unbedingt der erwartete „Burner“. Zumal das ausverkaufte Event mit Marius Müller-Westernhagen leider wegen Krankheit ausfiel. Musikalisch jedoch zündete Trettmann seine dritte Entwicklungsrakete – und verzauberte mit einem perfekten Feuerwerk aus alten und neuen Songs den lauen Coburger Abend.
Der in Chemnitz geborene Künstler bewies erneut seine Wandlungsfähigkeit mit Cloud Rap vom Feinsten. Über Dance Hall, Reggae und der gemeinsamen, sehr erfolgreichen Ära mit KitschKrieg hat er seinen ganz eigenen Sound gefunden, ohne die Vergangenheit zu verraten. Eine bunte statt wie früher schwarzweiße Show, minimalistischer Bühnenaufbau, vier agile Tänzerinnen – viel frischer Wind, dabei doch der Alte.
Trettmann ist persönlich. Trettmann berührt, weckt Erinnerungen, trifft. Liebe, Schmerz, Kummer, Aufbruch, Emotionen – in seinen Songs lässt er sein Publikum ganz nah an sich heran. Schon der Eingangssong „So lang“ seiner 75-minütigen Coburg-Show machte das deutlich. „Wollt ihr es wissen, wie’s mir geht?“ war zugleich Bekenntnis und Programm. Die Bässe schlugen aufs Zwerchfell, die Fans drängelten sich zur Bühne und tanzten begeistert ab. Stimmung pur.
Trettmann, schwarzes T-Shit, Hütchen und Sonnenbrille, nahm seine Fans mit – mit gewohnt kräftiger Stimme, klaren Ansagen und mit technisch mehr als sauberem Sound. „Tretti“, wie ihn seine Fans nennen, ist in die Jahre gekommen, sein 50. Geburtstag steht bevor. Seine Fans in Coburg waren meist 20, 30 Jahre jünger. Das schert den Rap-Oldie nicht. Es ist eher ein Ehrenabzeichen, dass er mit seiner Musik auch jüngere Generationen erreichen kann. Über die Altersdiskriminierung einiger Besserwisser lästerte er mit einer Songzeile ab: „Und die gestern noch meinten, ich wär‘ zu alt für den Shit / Sind heut schon wieder so viel Jahre älter als ich.“ Tretti is back.
Michael Karl