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SPD-Kulturherbst Ellertal mit „Beier & Hang“: Bitter-böse Odyssee durch die digitalen Welten

Aktuelles
Foto: Thomas Pregl

Lohndorf. Kann man ganz normale Oberfranken im Zeitalter der Digitalisierung noch optimieren? Man kann. Oder besser: Man kann es versuchen. Und dazu bedarf es Therapeuten, Coachs, Fitness-Trainer, Startup-Gurus und Selbstfindungsexperten wie „Beier & Hang“. Die Sprachvirtuosen aus dem unbekannten Dingolfing verabreichten ihrem Publikum im proppevollen Saal der Brauerei Reh in Lohndorf im Rahmen des „SPD-Kulturherbst Ellertal“ eine hochexplosive Mischung aus Comedy und Kabarett. Und die zeigte Wirkung: Die „Beklopptimierung“, so der Titel ihres neuen Programms, kam an – donnernder Applaus am Samstag für fast zwei Stunden digitale Heilbehandlung. Und gut, dass das Bier von Anfang an analog war…

Die satirische Odyssee von „Beier & Hang“ durch die digitale Alltagswelten mutet nur auf den ersten Mouseclick skurril an, doch je länger die beiden in Sketschen und Musikstücken, mal als Duo, mal auch solo, sich durchs Programm klicken, umso realer wird dieses vergötterte Jenseits in Smartphones, Social Media, Laptops und Programmierungswut.

Die Aussteiger aus der modernen Welt begeben sich auf einen Selbstfindungstrip nach Asien, doch ohne Handy und bayrische Kreditkarte geht bei ihrer Glückssuche auch da nichts. Auf das Bewerbungsgespräch bereitet sich der Begriffslegastheniker per Internet vor und haut dem Personalchef die verdrehten Worte wie Maschinengewehrsalven um die Ohren, so dass dieser entnervt den Mann einstellt. Optimal gelaufen…

Auch am Grab bleibt bleibt dem Analogen nur das Gedenken an frühere, bessere Zeiten. Die Hinterbliebenen versammeln sich am „I-Grave“ zur ersten digitalen Beerdigung und drücken der Verstorbenen ein letztes Like ins Tablet. Und auch der typische Loser kommt ohne Profilleiste und Instagram nicht mehr aus. Der junge „Instagrimmer“, tragischerweise schon in „der Blüte seines Lebens verblüht“, findet Trost und Zuspruch, weil eine frauliche Navi-Stimme ihm wenigstens einmal sagt: „Sie haben Ihr Ziel erreicht!“

Optimieren lässt sich auch die Politik. Geld für Entwicklungshilfe? Nein, danke, sagt der christsoziale Staatssekretär. Aber zusammen mit einem feschen Volkssänger aus Österreich findet er im bayrischen Rettich die Lösung für die Ärmsten der Armen: „Ich schicke diesen Radi da ins schwarze Afrika!“ Auch die AfD versucht in der Person eines gauländischen „Herrn Heinz“ die Partei („Parlament-Arier“) zu optimierenund dem Nazi-Proll aus taktischen Gründen eine bürgerliche Sprache beizubringen. Ein schwieriges Unterfangen bei diesem „Dumm-Dumm-Geschoss“.

Während Start-up-Egomanen schon ergonomische Möbel für kranke Aquariumsfische auf den Markt bringen und Farmen für laktose-intolerante Kühe gründen, scheitert die Optimierung bei der Einladung zum After-Show-Büffet. Wie soll man Frauen, Männer, Diverse, Schwule, Lesben, Laktose-und Gluten-Intolerante, Vegetarier oder Veganer politisch korrekt einladen? Ein hoffnungsloses Unterfangen.

Die „Beklopptimierung“ des Publikums darf hingegen als gelungen angesehen werden. Und man muss kein digitaler Wahrsager oder Facebook-Algorithmus-Fan sein, um nach diesem verbalen, bitter-bösen Feuerwerk, das „Beier & Hang“ abbrannten, zu befinden: Den beiden gehört die Zukunft auch auf den analogen Brettern der Bühnen.

Thomas Pregl

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