Wer Satire machen will, macht sich oft selbst zum Gespött. Für gewöhnlich wird man von der Realität schneller (meist von rechts) überholt als die Druckerschwärze auf dem Papier getrocknet ist. Und landet man mal mit einer Pointe einen Treffer, kann man im Grunde sicher sein, dass irgendein Heine oder Tucholsky das vor 100 Jahren schon mal viel brillanter formuliert hat.
Letzterer hatte 1922 geschrieben: „Im übrigen gilt ja hierzulande derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.“
Anders ist kaum zu verstehen, weshalb aktuell Zeitgenoss:innen aus allen Richtungen und Politiker:innen jeglicher Couleur in bestem BILD-Jargon die Aktivist:innen der „Letzten Generation“ verteufeln, die mit ihren – möglicherweise tatsächlich nicht immer glücklichen – Aktionen versuchen, so groteske Forderungen wie die Einhaltung der Klimaziele oder gar ein Tempolimit durchzusetzen. Razzien folgten sowie die Überlegung, die Organisation als „kriminelle Vereinigung“ einzustufen.
Selbst die fränkische Polit-Rock-Band „Die Dorfrocker“ („Hey Schakkeline, wo ist die Vaseline?“, „Ich komm vom geilsten Arsch der Welt“) fühlte sich bemüßigt, reflektiert und analytisch zum Thema Stellung zu beziehen. So entstanden subtil-doppeldeutige Satiresongs voller weingeistiger (Ups, Tippfehler!) Ironie wie „Schick den Klimakleber nach Katar, setz ihn auf ein schönes Dromedar; macht in der Wüste euer Zeuch, die Scheiche kümmern sich um euch.“ Selten ist poetischer zur Steinigung von Umweltaktivist:innen aufgerufen worden.
Trotzdem haben sie nun Ärger mit Reinhard Mey gekriegt, der sich gerichtlich dagegen wehrte, dass sein Hit „Über den Wolken“ von den Dorftrott… äh … rockern zur Hass-Hymne gegen die „Letzte Generation“ umgetextet wurde. Wie unkollegial von ihm.
Auch in anderen Bereichen scheint es mittlerweile üblich, die Botschaft zu ignorieren und stattdessen den Boten zu hängen.
So meldete z. B. kürzlich eine couragierte Frau in Döbeln der Polizei eine Gartenparty, bei der man Pavillons mit riesigen Hakenkreuz-Flaggen geschmückt hatte. Als die verständigten Beamten keine Lust zeigten, deswegen in irgendeiner Form einzugreifen, machte die junge Dame kurzerhand ein Video von den fröhlich feiernden Faschisten – weshalb nun behördlich gegen sie ermittelt wird. Also: gegen die Zeugin.
Und die Polizeihochschul-Dozentin Bahar Aslan verlor ihren Job, weil sie es gewagt hatte, auf Twitter zu erwähnen, dass das Bekanntwerden von immer neuen rechtsextremen Umtrieben innerhalb der Truppe das Vertrauen bestimmter Bevölkerungsgruppen in unsere Exekutive durchaus erschüttert hätte.
Deshalb: Vergessen Sie bitte alles, was ich Depperla da oben geschwafelt habe. Endlich ist wieder Kellerwetter, hurra! So schö wie bei uns is’ halt nirgends auf der Welt! Juhuhu!
Arnd Rühlmann