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Die Schlange: Netflix mit Massenmörder-Hit im Hippie-Paradies

Kino und Film

Massenmörder haben die Menschen schon immer fasziniert. Und was fasziniert, wird auch filmisch umgesetzt. Netflix bringt dieses wohlige Grauen nun in deutsche Wohnzimmer. „Die Schlange“ heißt die wirklich sehenswerte BBC-Serie, die auf wahren Ereignissen beruht. Es ist die außergewöhnliche Geschichte von Charles Sobhraj (Tahar Rahim), der junge Rucksacktouristen unter Drogen setzt, sie ausnimmt und tötet. Wie eine Schlange windet sich der als Edelsteinhändler getarnte Mörder immer wieder aus den Fängen der Justiz.  

Millionen Reisende haben sich vor Corona schon den Traum von Asien erfüllt. Zehn, elf Stunden im vollen Flieger – und schon ist man im Paradies. Einen solchen Touristenboom gab es schon mal – in den 70er Jahre.  Mit Rucksack, Jesus-Latschen, blümchenbemalten VW-Bus und im bunten Batic-Kleidchen machten sich junge Menschen auf den sogenannten „Hippie-Trail“ durch Indien und Nepal bis nach Thailand. Auf der Suche nach dem eigenen Ich, fasziniert von fernöstlichen Religionen und Ritualen. Ein Roadmovie mit Sex, Drugs and Rock´n Roll. Bestaunt und belächelt von der einheimischen Bevölkerung. „Die Schlange“ ist so auch ein gelungenes und eindrucksvolle Porträt dieser Zeit des Umbruchs und des Anderseinwollens.

Dieses Aussteigerleben unter Palmen und zwischen goldenen Buddhas könnte so schön und unbeschwert sein, Love und Piece überall. Doch einige Blumenkinder stranden bei Charles und seiner Komplizin Marie-Andrée Leclerc (Jenna Coleman). Teils werden sie aus finanzieller Not angespült, teils werden sie angelockt. Das Pärchen scheint der Nothelfer zu sein, ihren Traum vom unbeschwerten Leben nie enden zu lassen. Auch wenn das Drama den Killer (eine Paraderolle für Rahim) als glatten, skrupellosen und nahezu emotionslosen Menschen zeigt, so entlarvt er doch auch die Naivität und Überheblichkeit der Westler, die meinen, in einer unbekannten Welt ist und wird alles gut, nur weil alle sich lieb haben sollen.

Das macht sich die „Schlange“ zunutze. Sie hofiert und umzüngelt die Rucksack-Touris zunächst, dann schlägt sie ihre Giftzähne erbarmungslos in die ahnungslosen Opfer, raubt deren Travellerschecks, Geld und Pässe. Die Opfer werden ertränkt, erschlagen, erstochen oder verbrannt. Und Charles und Marie-Andrée machen sich einen Spaß daraus, mit den Identitäten der Toten durch die ganze Welt zu reisen. Vermutlich würden sie noch im Rentenalter auf tödlichen Touristenfang gehen. Zu korrupt, zu schwerfällig, zu uninteressiert, das zeigt der Film immer wieder, sind Justiz und Polizei. Nur der junger Niederländer Hermann Knippenberg, glänzend gespielt von Billy Howle, stemmt sich als kleiner Botschaftsangehöriger in Bangkok idealistisch, obsessiv und zeitintensiv der übermächtigen Schlange entgegen. Ein Held wider Willen, ein Held oft von der traurigen Gestalt. Ein David gegen Goliath-Kampf. Glänzend inszeniert und dramatisiert. Ganz großes Netflix-Kino. „Die Schlange“

Thomas Pregl

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